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Nachruf auf Wildmeister Hans-Joachim Borngräber


„Der Borngräber“ lebt nicht mehr. Er ist am 2.6.2024 einfach nicht mehr aufgewacht – das hat ihm sicher gefallen, denn er ist mit einem Lächeln gegangen.

Am 27.2.1940 wurde er als Sohn eines Schulleiters in Oberfranken geboren und begann seine berufliche Ausbildung als Porzellanmaler. Seine kunsthandwerkliche Begabung hat er sein Leben lang in detaillierten jagdlichen Präparaten und Dioramen, in Malerei und Skizzen mit großer Freude verwirklicht. Wegen seiner mindestens ebenso großen sportlichen Neigung als Skifahrer und -lehrer, Leichtathlet und Kraftsportler wechselte er zur Bundeswehr.

Die Jagd lag zwar nicht in der Familie, aber ihn hatte sie wegen seiner engen Beziehung zur Natur – zeitweilig führte er mit seiner früh verstorbenen ersten Frau sogar eine Berghütte – immer interessiert. Folgerichtig absolvierte er eine Ausbildung zum Berufsjäger, arbeitete in adligen Privatjagden, in Nationalparks und schließlich mit seiner zweiten Frau Ingrid in Namibia. Dort erhielt er dann den Ruf nach Springe als Leiter an den Jägerlehrhof und wurde schließlich im Eimbeckhausen sesshaft.

In seinem ganzen jagdlichen Leben war er von Hunden begleitet: den BGS, die er auch selbst züchtete, den Teckeln aus der Zucht seiner Frau – auch Vollgebrauchshunde lebten und arbeiteten mit ihm. Gerade letztere förderte er vielfach. Er kannte keinen „Rassefanatismus“, sondern die Qualität der Arbeit stand für ihn an erster Stelle.

Jochen Borngräber ist ein Mann gewesen, der vielfache Spuren hinterlassen hat und dessen große jagdliche Leidenschaft sich im Lesen und Verfolgen von Spuren erfüllte. Die Arbeit auf der Roten Fährte war für ihn eine ethisch hoch besetzte Tätigkeit im Interesse des Tierschutzes, die er in der Praxis zur Perfektion führte. Es quälte ihn, wenn eine solche Arbeit nicht gelang, und er ließ nicht locker, sich auch deshalb immer tiefer in die Schweißarbeit einzuarbeiten. Dabei lag ihm eine möglichst umfassende Ausbildung der Hunde am Herzen, die er mit hohem didaktischen Geschick, mit differenzierten Techniken und einer dem Tier in tiefer Liebe zugewandten und an seinen Stärken und Grenzen angemessenen Haltung anging. „Am Ende des Riemens ist das Problem!“, ist ein Satz, der wohl jeden, der oder die an seinen Schweißkursen teilnahm, zum Nachdenken gebracht hat... Im Standardwerk “Die Schweißarbeit“ findet sich sein gesamtes Wissen für die praktische Rote Arbeit didaktisch aufgearbeitet – seit Jahren begleitet es Gespanne bei der Einarbeitung der Hunde.

Mit den Menschen konnte Borngräber unerbittlich sein, bisweilen hart, auch subjektiv empfunden ungerecht – letztlich aber ging es ihm als höchstes Ziel immer darum, unsinniges Leiden des Wildes zu verhindern und dies durch eine gründliche Ausbildung der Berufsjäger, der Nachsuchen-Gespanne und der Jungjäger durch individuelle Einsicht in die eigenen Fähigkeiten und Grenzen zu erreichen. Nicht wenige Individuen und Verbände fühlten sich verprellt von seiner direkten Art, die ohne jede Geschmeidigkeit an der Sache orientiert war und diese – immer gut begründet - weitertrieb. Und nicht alles gelang dann auch so gut, wie etwa die Einführung des Fährtenschuhs in die Hundeprüfungen auf Schweiß – eine Technik, die in der Ausbildung der Schweißhundrassen schon lange sinnvollerweise gang und gäbe ist.

Seine beruflichen Fachkenntnisse waren immens und er interessierte sich für vieles, das er in seine Arbeit und seine Haltung aufnahm. Seine Freude am intensiven Beobachten und eigenen Lernen zeigten sich dabei aber auch im Alltag, wo er zB Habitat schuf für die Singvögel in seinem Garten, Hecken anlegte (sogar für die Weltausstellung in Hannover entwarf er ein Heckenprojekt) und zum Wohl des Niederwilds die Fallenjagd betrieb – und dazu dann gleich auch ein Fachbuch veröffentlichte. Überhaupt war Jochen Borngräber vielleicht nicht der akademische Lehrer, den sich sein Vater vorgestellt hätte – er war aber Lehrender durch und durch. In Allem, was er anging, wusste er aus eigener Erfahrung, wovon er sprach. In den letzten Jahren hat aber sogar er noch dazu gelernt: er bedauerte, dass er manchmal zu hart zu Einzelnen gewesen war und wie viel seine Familie in seinem Interesse zurückstecken musste. Augenzwinkernd räumte er ein, dass er sich in einer Sache allen Ernstes geirrt hatte! Denn es gibt tatsächlich Frauen, die mit „Biss“ nachsuchen können und auch exzellente Berufsjägerinnen!

Wir haben ihm im JGV Neuss-Grevenbroich zwei stark besuchte Lehrgänge zu danken, die uns alle in bester Erinnerung sind.

Wir werden einen ganz Großen seiner Zunft vermissen: seinen Charme, seine Schlagfertigkeit, seinen Witz, seine Direktheit, seinen Wunsch nach vernunftgeleitetem Handeln und danach, eigene Grenzen anzuerkennen, seine Kameradschaft, sein großes Herz für die Natur und die Tierwelt, seine scharfe Beobachtungsgabe und die unbedingte Liebe zu den Hunden.

Wir sind in Mitgefühl und Trauer bei seiner Frau Ingrid und der Familie – im Herzen lebt er weiter!

 

Ingeborg Lackinger Karger


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